Ohrdruf, 20.05.2020
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
vielen Dank für die Möglichkeit zu dem Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen.
Der Wald in Thüringen befindet sich in einer desolaten Lage. Richtigerweise ist daher auch der Wald im Gesetzentwurf in Art. 16 bedacht. Jedoch reichen die vorgeschlagenen Maßnahmen aus unserer Sicht nicht aus, um der aktuellen Lage adäquat zu begegnen.
Die ersten drei Monate dieses Jahres waren laut Deutschem Wetterdienst in Europa das wärmste Quartal seit 100 Jahren. Zudem hat es im März und April deutlich weniger geregnet als sonst zu dieser Jahreszeit. Im dritten Dürrejahr in Folge und nach zahlreichen großen Stürmen liegt die Thüringer Forstwirtschaft am Boden. Anders als andere Wirtschaftszweige durchlief unsere Branche schon vor Auftreten des Corona-Virus daher eine katastrophale Entwicklung. Corona hat diese Probleme noch verschärft. Nach bisher unvorstellbaren 2 Mio. Kubikmeter Schadholz in 2019 gehen die Schätzungen von ThüringenForst für das laufende Jahr von bis zu 6 Mio. Kubikmeter Schadholz aus.
Zahlreichen Forstbetrieben droht daher die Zahlungsunfähigkeit bzw. der Verkauf ihrer Waldflächen. Die meisten der 180.000 privaten, kirchlichen und genossenschaftlichen Thüringer Waldbesitzer konnten ihren Waldbesitz durch Jahrhunderte bewahren und von Generation zu Generation weitergeben. Nach 1990 wurde die Waldeigentumsstruktur in Thüringen bewusst gestreut und kleinstrukturiert aufgebaut. Es gibt in unserem Land praktisch keine großen Privatforstbetriebe. Unsere Mitgliederverfügen nicht über Kapitalreserven.
Bisher konnte die Walderhaltung zum Nutzen aller aus den Holzverkäufen finanziert werden. Das ist nun nicht mehr so. Der Holzmarkt ist zusammengebrochen. Projektionen aus den großen Waldgebieten in Mitteldeutschland und Mitteleuropa zeigen, das noch mindestens in den nächsten 5 Jahren keine Wiederbelegung des Holzmarktes erwartet werden kann. Viele sind ehrenamtlich in den Vorständen von Forstbetriebsgemeinschaften, Waldgenossenschaften und Kirchengemeinden tätig. Gerade diesen ehrenamtlichen und nebenberuflich tätigen Forstwirten und Waldbauern fehlt die Perspektive für ihre Arbeit. Wie soll es weitergehen? Vielen stellt sich die Frage, ob sie aufgeben sollen und verkaufen müssen.
Die Landesregierung hat daher zu Recht als Problem erkannt, dass es zu einem Ausverkauf des Thüringer Waldes kommen könnte. Insbesondere internationale Kapitalgesellschaften und große Vermögensverwaltungen aus den alten Bundesländern könnten die aktuelle Schwäche ausnutzen.
1. Gesetzesentwurf der Landesregierung & aktuelle Corona-Hilfen
Mit dem Gesetzesentwurf soll daher eine Regelung geschaffen werden, nach der es der AöR ThüringenForst ermöglicht wird, Kredite aufzunehmen, um Waldflächen von privaten Waldbesitzern aufzukaufen. Diese Maßnahme kann unserer Einschätzung nach nur sehr begrenzt und nur lokal ein Lösungsansatz sein. Ein Rechenbeispiel mag das verdeutlichen:
Es gibt rd. 22.000 ha Privatwald in Thüringen. Geht man davon aus, dass v. a. abgestorbenen Waldflächen aufgekauft werden sollen, wäre ein Wer von rd. 2.000-5.000 EUR/ha anzusetzen. Die Flächenräumung und Wiederaufforstung würde rund 8.000-10.000 EUR/ha kosten, insgesamt wären für eine solche staatliche Intervention also rd. 10.000-15-000 EUR/ha anzusetzen. Sollte die AöR ThüringenForst also nur 10% des Thüringer Privatwaldes aufkaufen, müsste sie Verbindlichkeiten von 200 bis 350 Mio. Euro aufnehmen. Es scheint unrealistisch, dass selbst eine Anstalt mit staatlichem Gewährsträger eine solche Summe aufnehmen kann. Zumal erst in 40 bis 100 Jahren überhaupt mit Erträgen aus einer solchen Investition gerechnet werden kann. Der Kapitaldienst für eine solche Maßnahme würde ThüringenForst folglich auf Jahrzehnte zum Zuschussbetrieb machen.
Neben diesen haushalterischen Gründen ist es unter den aktuellen Bedingungen ausgeschlossen, dass ThüringenForst neben den jetzigen Staatswaldflächen überhaupt in der Lage wäre, in nennenswertem Umfangzusätzliche Flächen zu betreuen. Es herrscht akuter Fachkräftemangel, und es gelingt bereits jetzt nicht, zusätzlich Förster einzustellen. Das Reviernetz ist bereits extrem ausgedünnt. An eine Nachverdichtung ist aktuell nicht zu denken, selbst wenn die Mittel dafür bereitstünden.
Dies macht deutlich, dass es in der aktuellen Situation darauf ankommt, subsidiäre und dezentrale Lösungspotentiale zu nutzen. Diese liegen in unseren 180.000 Thüringer Waldbesitzern und dem bewährten System der nachhaltigen Thüringer Forstwirtschaft. Nur bei Nutzung der Potentiale des gesamten Sektors, d. h. der staatlichen wie privaten Akteure und Waldbesitzer kann es gelingen, die aktuelle Krise zu meistern und den Wald zu erhalten.
Dazu bedarf es sofortiger Liquiditätshilfen. Leider berücksichtigen die aktuellen Corona-Liquiditätsprograme nach den bestehenden Bundesvorgaben die Besonderheiten in der Forstwirtschaft nur unzureichend. Bisher ist uns daher kein bewilligter Antrag eines Thüringer Waldbesitzers auf Corona-Hilfen bekannt. Es bedarf daher wirksamer Hilfsinstrumente, die auf die Forstbranche angepasst sind und wirklich auf der Fläche ankommen.
2. Maßnahmenprojekt Landesforstausschuss
Der Landesforstausschuss, das von der Landesregierung berufene Expertengremium aus Vertretern aller Eigentumsformen, hat daher bereits im März umfangreiche Vorschläge gemacht, wie die Waldschutz- und Arbeitsprozesse im Thüringer Forstsektor am Laufen gehalten werden können. Diese Maßnahmen müssen angesichts der Corona-Krise dringender denn je umgesetzt werden.
Wie oben geschildert, ist der Holzmarkt in weiten Teilen zusammengebrochen. Das weiterhin an sich verwertbare Holz ist vielfach gar nicht mehr zu verkaufen. Deshalb arbeiten Waldbesitzer Schadholz nicht weiter auf und belassen es einfach im Wald, da sie die Kosten für Maschineneinsatz und Personal nicht weiter vorfinanzieren können.
Dabei wäre genau das nötig, um die noch intakten vorratsreichen Fichtenwälder vor der weiteren Ausbreitung des Borkenkäfers zu schützen. Um dies zu erreichen fordern wir:
- Umsetzung des Maßnahmenpakets des Landesforstausschusses von 9. März 2020.
- Zusätzlich eine Soforthilfe 2020 i. H. v. 150 EUR/ha für besonders geschädigte Betriebe. Wir schätzen den Bedarf hierfür auf rd. 10 Mio. EUR.
- Sonderzuführung 2020 an die AöR ThüringenForst, um die Waldschutzaufgaben gem. § 11 Abs. 5 Thüringer Waldgesetz vollumfänglich umsetzen zu können i. H. v. mindestens 15 Mio. EUR.
- Sonderzuführung 2020 an die AöR ThüringenForst zur Holzmarktentlastung, d. h. um das auf dem Holzmarkt nicht mehr absetzbare Schadholz aufzukaufen, i. H. v. mindestens 30 Mio. EUR.
Nur wenn das Land größere Mengen des nicht mehr absetzbaren Schadholzes von Markt nimmt, werden die Waldbesitzer die dringend notwendige Sanierung der Borkenkäferbestände fortsetzen. Nur so können die bisher noch intakten Wälder geschützt, über die Dürre- und Borkenkäferkatastrophe hinweggerettet und für die nachfolgenden Jahrzehnte erhalten werden. Es handelt sich dabei um eine öffentliche Aufgabe, da ansonsten ein Abbruch der heimischen Holzversorgung droht.
3. Änderungsanträge der Fraktionen der CDU und der FDP
Wir begrüßen die zutreffende Problemanalyse in den Änderungsanträgen der Fraktionen der CDU und der FDP. Sie weisen zutreffend darauf hin, dass die im bisherigen Gesetzentwurf vorgesehene Maßnahme zu kurz greifen.
Wir regen daher an, dass entsprechend der Vorlage des Änderungsantrages der Fraktion der CDU folgende Änderung vorgenommen wird:
In § 12 Absatz 4 des Thüringer Gesetzes über die Errichtung der Anstalt öffentlichen Rechts „ThüringenForst“ vom 25. Oktober 2011 (GVBI S.273), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 30. Juli 2019 (GVBI S.323) werden nach Satz 2 folgende neue Sätze 3 und 4 eingefügt:
„Zur Bewältigung des besonderen Anfalls an Waldschutzaufgaben gemäß § 11 Absatz 5 des Thüringer Waldgesetzes erhält die Landesforstanstalt zusätzlich zu den in Absatz 2 Satz 2 genannten Beträgen Zuführungen in Höhe von 15.000.000 Euro im Jahr 2020. Zur Unterstützung der Waldsanierung und zum Ankauf von Schadholz erhält die Landesforstanstalt zusätzlich zu den in Absatz 2 Satz 2 genannten Beträgen Zuführungen in Höhe von 30.000.000 Euro im Jahr 2020.“
Zur Umsetzung des Maßnahmenpakets des Landesforstausschusses und der Soforthilfe i. H. v. 150 EUR/ha sind dem Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft die entsprechenden Haushaltsmittel zweckgebunden zur Verfügung zu stellen.
Für Rückfragen stehen ich und meine Kollegen Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Heyn Geschäftsführer